Warum Druck kein Lernen schafft – was Studien über „Vertreiben“ & andere harte Methoden zeigen

Aversives Hundetraining Vertreiben: Viele Hunde, die zu mir ins Training kommen, tragen ein gemeinsames Päckchen: Sie wurden „weichgekocht“. Nicht körperlich, sondern innerlich, durch Druck, Raumverweise, Leinenwürfe oder das sogenannte „Vertreiben“. Kurzzeitig sieht das von außen ruhig aus. Der Hund weicht zurück, bellt nicht mehr, scheint „gehorchen“ zu wollen. Aber wer genau hinsieht, erkennt etwas anderes: Angst. Unsicherheit. Und Misstrauen.

„Aversives Hundetraining Vertreiben“ was ist damit gemeint

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Der Begriff klingt harmlos, fast sachlich. Doch tatsächlich beschreibt er eine Form von Drucktraining, bei der der Hund durch Körperspannung, Bedrohung oder Bewegung „weggeschickt“ wird. Ein Beispiel: Der Hund bellt oder fixiert. Der Mensch geht frontal auf ihn zu, baut Druck auf, bis der Hund ausweicht oder den Blick abwendet. Ziel: Distanz. Wirkung: Verunsicherung.

Manche Trainer verkaufen das als „Führungsarbeit“, „Raumkontrolle“ oder gar „Anti-Jagd-Training“. Doch am Ende bleibt es immer dasselbe Prinzip: Der Hund lernt, dass Nähe zum Menschen oder Reize im Umfeld unangenehm enden können. Das Verhalten verschwindet – die Angst bleibt.

Aversives Hundetraining Vertreiben: Was wirklich passiert

Aus verhaltensbiologischer Sicht gehört das „Vertreiben“ zur positiven Bestrafung, also zur gezielten Gabe eines unangenehmen Reizes, um Verhalten zu stoppen. Kurzfristig funktioniert das, weil Angst ein mächtiger Motivator ist. Langfristig führt es zu etwas, das man in der Forschung als „erlernte Hilflosigkeit“ kennt: Der Hund tut nichts mehr – aus Angst, etwas Falsches zu tun.

Das Gefährliche daran: Die Folgen treten oft zeitverzögert auf. Viele Hunde zeigen zunächst ein angepasstes, ruhiges Verhalten, wirken „geheilt“. Doch mit der Zeit kippt das System: Die innere Spannung bleibt bestehen, sie sucht sich nur einen anderen Ausgang. Später zeigen sich plötzlich Angstreaktionen, Aggression, Meideverhalten oder psychosomatische Symptome wie übermäßiges Hecheln, Zittern oder Verdauungsprobleme. Das Verhalten war nie gelöst – nur verschoben.

Langzeitfolgen – wenn das System kippt

Bei wiederholtem Einsatz von Druck, Bedrohung oder Schmerz entsteht im Hundekörper eine chronische Aktivierung der Stressachse (HPA-Achse): Cortisol– und Adrenalinspiegel steigen, während Serotonin und Dopamin sinken. Der Körper bleibt dauerhaft in Alarmbereitschaft. Solange äußere Kontrolle oder scheinbare Stabilität vorhanden ist, kann der Hund kompensieren – aber nicht verarbeiten.

Sobald Kontrollverlust, ähnliche Reize oder fehlende Sicherheit auftreten, kippt das System. Das kann Wochen, Monate oder sogar Jahre nach der eigentlichen Belastung passieren – ähnlich einer posttraumatischen Belastungsreaktion. Hunde reinszenieren statt zu reflektieren: das Verhalten kommt zurück, sobald die alten Muster oder Trigger wieder auftauchen.

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Typische zeitliche Verläufe:

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Das erklärt, warum Hunde nach Jahren plötzlich „kippen“, obwohl vermeintlich alles ruhig war: das System hat nie reguliert, nur gehalten – bis es nicht mehr ging.

„Aversives Hundetraining Vertreiben“ Was die Wissenschaft sagt

In einer Studie der Universität Porto (Vieira de Castro et al., 2020) wurden über 90 Hunde aus unterschiedlichen Hundeschulen untersucht. Das Ergebnis: Hunde aus aversiv arbeitenden Schulen zeigten deutlich mehr Stressverhalten, höhere Cortisolwerte und eine pessimistischere Erwartungshaltung gegenüber ihrer Umwelt. Sie lernten also nicht nur schlechter, sie fühlten sich auch schlechter.
Quelle: Does training method matter? Evidence for the negative impact of aversive-based methods on companion dog welfare (PMC 7743949: https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC7743949/)

Auch das Canine Welfare Science Center der Purdue University bestätigt diese Ergebnisse: Aversive Methoden erhöhen Angst, Stress und Aggression – ohne dass sie nachweislich effektiver sind als belohnungsbasierte Ansätze. Quelle: The Effects of Using Aversive Training Methods in Dogs – A Review (Purdue University, 2023: https://caninewelfare.centers.purdue.edu/resource/the-effects-of-using-aversive-training-methods-in-dogs-a-review/)

Und laut der American Veterinary Society of Animal Behavior (AVSAB) kann regelmäßiger Druck sogar die Bindung zwischen Hund und Mensch schwächen. Hunde, die so trainiert werden, zeigen weniger Exploration, weniger Vertrauen und mehr Rückzug.
Quelle: Dog Training Methods Affect Attachment (https://avsab.org/dog-training-methods-affect-attachment-to-the-owner/)

Was „belohnungsbasiert“ wirklich bedeutet

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Wenn in Studien von „belohnungsbasiertem Training“ die Rede ist, geht es nicht nur um Futter. Belohnung meint alles, was für den Hund eine positive Bedeutung hat, etwas, das er als sicher, angenehm oder lohnend erlebt.

Dazu gehört natürlich Futter, aber genauso:
– Lob, freundliche Stimme, Blickkontakt
– gemeinsames Spiel, Zuwendung oder Nähe
– Freigaben („Jetzt darfst du laufen/schnüffeln“)
– Zugang zu Dingen, die der Hund möchte – Bewegung, Wasser, andere
  Hunde.

Der Unterschied zu aversiven Methoden liegt also nicht im Ziel, sondern im Weg dorthin: Beim belohnungsbasierten Ansatz entsteht Verhalten durch Freude, nicht durch Furcht.

Ein Hund, der lernt, weil er darf – lernt anders als einer, der lernt, weil er muss.

Belohnungsbasiertes Training schafft Motivation, Vertrauen und Verlässlichkeit. Nicht, weil der Hund „nichts anderes kennt“, sondern weil er gelernt hat: Mensch bedeutet Sicherheit, nicht Druck.

Wo kommt das „Vertreiben“ her: Ursprünglicher Kontext nach Thomas Baumann

Der Begriff „Vertreiben“ stammt ursprünglich aus der Arbeit des Hundetrainers und Verhaltensspezialisten Thomas Baumann, einem ehemaligen Polizeihundeführer und Fachautor. In seinem Ansatz beschreibt „Vertreiben“ kein aversives Strafverfahren, sondern ein kommunikatives Mittel der sozialen Interaktion zwischen Mensch und Hund.

Baumann versteht „Vertreiben“ als natürliches Ausdrucksverhalten, das Hunde auch untereinander zeigen, wenn sie Distanz schaffen oder Grenzen markieren möchten – ohne Aggression, ohne Bedrohung. Übertragen auf den Menschen bedeutet es, Raum klar einzunehmen, Körpersprache gezielt einzusetzen und damit Orientierung und Struktur zu vermitteln – nicht Druck oder Angst.

Der entscheidende Punkt:
„Vertreiben“ im Sinne Baumanns funktioniert nur auf Basis von Vertrauen und sozialer Akzeptanz – nicht durch Einschüchterung oder Zwang.

Leider wird dieser Begriff in manchen Hundeschulen verkürzt und verfälscht genutzt. Aus einer feinen kommunikativen Technik wird dort ein grobes Druckmittel: Hunde werden mit Leinenruck, Raumdruck oder Wurfobjekten aus Situationen „vertrieben“. Das steht im klaren Gegensatz zum ursprünglichen Konzept, das auf gegenseitiges Verstehen statt Unterdrückung setzt.

Kernaussage:
„Vertreiben ist kein Bestrafen, sondern ein soziales Signal – aber nur, wenn es auf Vertrauen basiert. Alles andere ist Bedrohung im Deckmantel von Führung.“

Klartext: Aversives Hundetraining Vertreiben war nie die Intension noch die Idee von Herrn Thomas Baumann.

Was daraus folgt

Druck mag Verhalten stoppen – aber nie die Emotion dahinter. Ein Hund, der gelernt hat, aus Angst ruhig zu bleiben, ist kein stabiler Hund. Er funktioniert – bis er nicht mehr kann. Dann bricht das Kartenhaus aus Angst, Stress oder Übersprungshandlung zusammen – oft Monate oder Jahre später.

Vertrauen entsteht nicht durch Bedrohung, sondern durch Orientierung. Klarheit heißt nicht Härte, sondern Berechenbarkeit. Und Kooperation ist keine Unterwerfung, sondern Kommunikation.

Fazit

„Vertreiben“ bringt kurzfristig Ruhe nach außen – aber Chaos im Kopf des Hundes. Wer mit Druck arbeitet, behandelt Symptome, nicht Ursachen. Wer mit Vertrauen arbeitet, verändert Verhalten von innen heraus.

Darum gilt: Lernen braucht Sicherheit. Und Sicherheit entsteht nur dort, wo Mensch und Hund sich verstehen – nicht fürchten.

Wer auf aversives Hundetraining Vertreiben setzt, erreicht kurzfristig Gehorsam, aber keine Stabilität

Fragen & kurze Antworten

Was bedeutet „Vertreiben“ im Hundetraining?

Eine aversive Technik: Raumdruck/Bedrohung „schiebt“ den Hund weg. Unterdrückt Verhalten, löst keine Ursache.

Ist „Vertreiben“ geeignet für Anti-Jagd-Training?

Nein. Es erzeugt Unsicherheit statt Orientierung. Belohnungsbasiertes Arbeiten ist nachhaltiger.

Welche Langzeitfolgen kann Drucktraining haben?

Erhöhte Stresswerte, Angst, Aggression, Meideverhalten – oft zeitverzögert.

Was heißt belohnungsbasiert – nur Leckerli?

Nein. Auch Spiel, Lob, Blickkontakt, Freigaben und Zugang zu Ressourcen – alles positiv Erlebte.

Wie erkenne ich, ob mein Hund „nur funktioniert“?

Starre, gehemmte Bewegungen, kaum Erkunden, „brav“ aber unsicher. Das ist kein Lernen, sondern Vermeidung.

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